Der Garten und ich: das erste Jahr

Ein Jahr ist nun ins Land gezogen, ein Jahr wollte ich mir geben, um aus der Wildnis einen veritablen Garten zu machen. Man soll sich nicht selbst loben, aber ich glaube, es ist geglückt. Es IST ein Garten. Und ein Hort des Friedens. Jeder fühlt sich wohl, Mensch und Tier. Und Pflanze natürlich.

Der Garten zeigt sich erkenntlich für die Pflege, für die vielen Gedanken, die ich mir um ihn gemacht habe, die vielen Stunden, die ich ihm gewidmet habe. Er zeigt es, indem er dieses Jahr sichtlich erholt aussieht. Natürlich, er funktionierte als Ökosystem auch ohne mich. Aber nun ist es ein kultiviertes Stück Land UND ein funktionierendes Ökosystem. Meine Hand griff manchmal ordnend und regulierend ein und schuf für die verschiedenen Pflanzen angemessen Platz, die kleinen und die großen, die Kulturpflanzen und die Unkräuter. Fast alle Pflanzen aus dem alten Bestand sehen dieses Jahr deutlich besser aus als letztes Jahr, als sie nicht nur durch die Radikalkur vom letzten Sommer ziemlich geschlaucht aussahen. Es war einfach zu viel im Garten und zu viel durcheinander. Survival of the fittest, nicht mehr und nicht weniger.
Die Rosen blühen üppiger und sehen wieder buschig aus und nicht verkrakelt und verwachsen. Der Farn hat wieder Form, die Hortensien mindestens doppelt so viele Blüten, nachdem sie im Februar mal mit Geduld vom Altholz befreit wurden. Der Busch im Wegekreuz steht wieder gerade, der Johannisstrauch bricht nicht mehr unter viel zu langen, schweren Zweigen zusammen. Und die Muscari terrorisieren nicht mehr den gesamten Garten, sondern sind auf einen Randbepflanzung eingedämmt worden.
Mein Gärtnerinnenherz ist aber besonders glücklich über die beiden Senioren in meinem Garten, für die ich so sehr eingetreten bin: der Lavendel und der Salbei. "Die sind doch hässlich" "Der Lavendel ist doch total alt und kahl, würde ich wegmachen" "Der Salbei ist krumm und schief, schneid' ihn doch ab"
- was mussten wir uns nicht alles anhören (man stelle sich vor, sowas würde man mal über alte Menschen sagen, nur weil sie nicht mehr gerade gehen können und lichtes Deckhaar haben...). Mein knorriges Salbeibäumchen und der - zugegeben - struppige und etwas verformte Lavendelbusch wurden beinahe in die Welke "gelästert", aber für mich stand nie zur Debatte, ob sie gehen oder beiben. Sie waren vor mir da und wer bin ich, die beiden intakten Pflanzen zu beseitigen, die wie kaum ein anderes Gewächs für die Geschichte des Gartens stehen? Keine Frage. Ob hässlich oder kahl, sie werden ihren Lebensabend an ihren angestammten Plätzen verbringen. Ich habe beide letztes Jahr gestutzt und ein bisschen recherchiert, wie man Francois, den Lavendel, vielleicht etwas verjüngen könnte.
Und siehe da: Francois treibt dieses Jahr von unten her neu aus - von wegen kahl! Und der Salbei (hatte ich ihn nicht mal Luigi genannt?) ist ein so enormer Busch dieses Jahr, dass ich Salbeiblättervorräte für Jahre ernten werde.

Dabei bin ich überhaupt keine besonders begabte oder erfahrene Gärtnerin. Ich habe ein paar Bücher gelesen und dilettiere auf dem Balkon seit zwei Jahren vor mich hin. Vielleicht ist das Entscheidende, mit wieviel Hingabe man sich der Sache widmet. Und ich denke unfassbar viel über den Garten nach.

Nach einem Jahr kennen wir uns, der Garten und ich. Und er scheint mich zu mögen, wenigstens zu tolerieren. Da er sich immer verändert, sind wir auch nie fertig. Die beiden aktuellen Projekte heißen Philosophenbänkle und Vogelbad.
Die Bank soll erst mal auf den Kies, damit ich einen Platz habe, an dem ich sitzen und nachdenken kann und nicht nachdenkenderweise immer mitten im Garten stehen muss.
Das Vogelbad wird die Krönung der vierten Parzelle. Die vierte Parzelle mit dem Flieder, auf der man fast nichts anbauen kann, mutiert gerade zum "Naturschutzgebiet", wie ich immer sage. Dort wächst nun eine Bienenweide, es stehen am Rand ein paar überzählige Knoblauch- und Salatpflanzen und der berühmte Lavendel. Sonst liegt sie brach und schattig unter dem Fliederbaum. Hinter Lavendel Francois ist ein halbrundes Plätzchen, wie geschaffen für eine erhöhte Vogeltränke. Am Fuß des Flieders hingegen ist eine Kuhle, die, mit etwas Sand aufgefüllt, vielleicht ein passables Sandbad abgeben könnte. Auf der vierten Parzelle toben sowieso ab und zu ein paar Vögel, weil ich dort selten bin. Ich hab jetzt noch einen schmalen, zwei Schritt langen Holzschnitzelweg in die Parzelle gelegt, dass man leichter zur Vogeltränke durchkommen wird, um das Wasser auszutauschen.

Und wenn ich dann in lauer Abendluft nach einem Gartentag auf meiner Philosophenbank sitzen werde und in etwas Entfernung die Meisen und Spatzen in der Vogeltränke toben und planschen sehe, dann werde ich vielleicht auch ohne Heimweh an mein Pariser Stadtleben zurückdenken, dessen Glücksgefühl ein ganz anderes war.

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